Friday, 27 June 2025
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from 1 p.m.
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Arrival
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2 p.m.
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Welcome & introduction
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2.30 p.m.
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Panel 1: Transfeministische Bestandsaufnahmen in neoliberaler Faschisierung
Mine Pleasure Bouvar Wenzel
Geschlecht und Nation//Geschlecht als Nation
Der Vortrag basiert auf Erfahrungen und Erkenntnissen aus den letzten 3 Jahren trans*feministischer, aktivistischer politischer Praxis. Diese kontexualisiere ich mithilfe marxistischer und faschismustheoretischer Frameworks. Ausgehend von Brooke M.Belosos These der „Feminist Erasure of Class“ untersuche ich, wie einerseits eine TERFistisch-radikalfeministische Theorie ihren Anschluss an die Klassenanalyse vergeschlechtlichter Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse verloren hat, und andererseits liberale, queertheoretische und identitätspolitische Politiken ein „entklassiertes“ Verständnis von Geschlecht in den Dienst nehmen, das nicht nur anschlussfähig ist, an euro- homonationalistische Diskurse, sondern im Fall des sogenannten Selbstbestimmungsgesetz es sogar staatstragend reifiziert wird. Ich erweitere Belosos Analyse der fehlenden Klassenanalyse in Bezug auf Sexarbeit auf die Untersuchung transmisogyner Unterdrückung. Transmisogynie spielt in beiden o.g. Kontexten eine zentrale Rolle als Ausschlussmechanismus, der eine Anknüfungsfähigkeit an bürgerlich-nationalistische Diskurse erlaubt. Der queer-liberale Ansatz markiert mehr oder weniger explizit trans*feminine Körper als überflüssig einerseits durch selektive Auslassung, oder durch Übernahme TERFistischer Argumentationsmuster, wie im sogenannten Selbstbestimmungsgesetz, andererseits durch spezifische Tokenisierung, beispielsweise zur Legitimation menschenrechts-imperialistischer Unternehmungen wie dem Krieg in der Ukraine. Der TERFistische Radikalfeminismus wiederum formuliert mittels Transmisogynie als ideologischer Triebfeder ein Verständnis von Geschlecht, das seit Jahren praktische Anschlussfähigkeit mit weiß-nationalistischen und anderen rechten Diskursen demonstriert. Über die Bündnisfähigkeit mit teils faschistischen Akteur*innen hinaus zeigt sich der TERFistische Ansatz des entklassierten, transmisogynen Feminismus selbst als einfaschisierter Feminismus, der teils analog zu historischen, frühfaschistischen, nationalsyndikalistischen und nationalrevolutionären Formationen agiert, die die revolutionäre Klasse als politisches Subjekt durch die Nationalgemeinschaft ersetzten. So nutzen auch TERFs ihren essentialistischen Geschlechterbegriff vergleichbar mit der Nationalgemeinschaft der Frühfaschisten wie George Sorel als Antidote für klassenbewusste, feministische Solidarität.
Zoe* Ragna Steinsberger
Trans* Bürger*innenschaft? Ambivalenzen institutionalisierter LGBTI(Q)- Politiken für trans*feministische politische Subjektivität
Institutionalisierte LGBTI(Q)-Zusammenhänge haben sich in den vergangenen Jahren auf nationaler und supranationaler, sowie auf kommunaler Ebene als zentrale Orte jener Praktiken etabliert, welche gemeinhin als trans* Politiken verstanden werden. In meinem Beitrag analysiere ich die Ambivalenzen dieser trans* Politik. Anhand eines Berichts einer weißen, psychiatrisierten trans* Frau aus der Arbeiter*innenklasse über ihr Engagement in der kommunalen Bürger*innenbeteiligung und in einem lokalen LGBTIQ-Zentrum in Südwestdeutschland frage ich, welche Potentiale diese politischen Formen auf kommunaler Ebene für prekäre trans*femininer Subjekte gegenwärtig bieten. Ich fokussiere die Identifikation, Orientierungen, sowie ambivalenten Gefühle, welche diese Formen bei meiner Gesprächspartnerin hervorrufen. Diese analysiere ich mit feministischen Auseinandersetzungen mit Marx' „Zur Judenfrage“, sowie postkolonialen und trans*feministischen Perspektiven der Trans Studies auf Liberalismus, Rassifizierung, Klasse und Community. Hierbei weise ich auf die ambivalenten Effekte dieser Politik für trans*feminine Prekarität und mit dieser verbundener politischer Subjektivität hin: Einerseits bietet institutionalisierter kommunaler LGBTI(Q)-Aktivismus für einige – auch mehrfach prekarisierte – trans* Menschen Gefühle der Zugehörigkeit, sowie Anerkennung. Er ermöglicht individuelle Handlungsfähigkeit angesichts von Gewalt im öffentlichen Raum sowie eine politische Subjektivität in einem imaginären Kollektiv „trans Leute“. Insofern wirkt er durchaus entprekarisierend. Andererseits stützt er sich auf ein strukturell weißes, androzentrisches und bourgeoises Verständnis von Staatsbürgerschaft. Dies verdeckt rassistische, klassenbasierte und transmisogyne Gewaltdynamiken und verstellt klassenkämpferische Praktiken und materielle Umverteilung. Zudem verlangt dieser Aktivismus von mehrfach marginalisierten trans* Subjekten, bürgerliche Vorstellungen von politischer Handlungsfähigkeit zu erlernen, was ihre politische Subjektivität als unreif erscheinen lässt. So schreibt er zugleich hegemoniale Prekarisierungen fort. Schließlich reflektiere ich meine Analyse epistemologisch-politischen: Ich schlage vor, die Bedingung der Möglichkeit universitärer trans* Kritik im Kontext hierarchischer gesellschaftlicher Arbeitsteilung zu situieren. Daher plädiere ich dafür, trans*feministische Epistemologie und die mit ihr verbundene Frage nach Emanzipation in diesem Kontext als durch ein konstitutives Spannungsverhältnis von Kritik und Rekonstruktion in der Beziehung von trans* Wissenschaftler*in und trans* Beforschter zu begreifen.
Lia Becker
Spät-neoliberale Faschisierung – und die Artikulation von trans*, Klasse und den Begehren nach Befreiung
Gegenwärtig erleben wir eine neue Qualität autoritärer Transformation des Kapitalismus: ein transnationales Laboratorium autoritär anti-demokratischer Herrschaftsformen (vgl. Becker 2025). Ausgehend von einer hegemonietheoretisch inspirierten trans*feministischen Perspektive (Becker 2022) richte ich in dem Vortrag den Blick auf die neue Konjunktur (Hall; Clarke 2023): den Übergang von autoritär-neoliberalen Krisenpolitiken (Gago 2025) zu „spät-neoliberaler Faschisierung“ (Candeias 2025; Becker 2025). Die historische Artikulation von neoliberalem Kapitalismus und zivilgesellschaftlichen liberalen LBTIQ-Politiken kommt unwiderruflich an ihr Ende. Es entstehen neue Artikulationen von trans* und Klasse, deren genaue Konturen wir noch nicht absehen können. Ausgehend von queer- und trans*feministischen Perspektiven war die Rede vom „progressiven Neoliberalismus“ (Fraser) schon lange vorher Gegenstand von Kritik, auch weil sie die Trennung von „Klasse“ und „Identität“ nahelegte. Trans*feministisch-marxistische Konzepte (wie „minorisierte Arbeitskraft“, prekarisierte trans* Lebensweisen und soziale Reproduktion, Nekropolik, differentielle Regierung von trans* Körpern) tragen demgegenüber dazu bei, die konstitutive wie widersprüchliche Artikulation von „Klasse“, trans* Lebensweisen und den „Begehren nach Befreiung“ zu verstehen (u.a. Gleeson/O’Rourke 2022; Raha 2018 & 2022; Irving 2016; Aizura 2015; Steinsberger 2024). Soziale, affektive, ethisch-politische Praxen des trans* world making (Raha 2022; Raha/v.d.Drift 2024) – von „transitioning“, trans*Care und „mutual aid“ – können als Teil eines emergenten „Geist der Abspaltung“ (Gramsci) aus intersektionalen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen gelesen werden. Dagegen formieren sich Kräfte autoritärer Restauration: der Herrschaftsfantasie rassistischer formierter, homogener „cis states“ (Gill-Peterson 2021). Tendenzen spät-neoliberaler „Faschisierung sozialer Reproduktion“ (Gago 2025; Federici 2023; Cooper 2021) gehen jedoch darüber hinaus: sie verbinden neoliberale Schock-Strategie, inszenierte Grausamkeit und gezielte Repression zu einem „Krieg gegen die soziale Reproduktion“. Dabei radikalisieren sie rassistische wie queer/trans*feindliche Nekropolitiken. „Präventive Gegen-Revolution“ (A. Toscano) wird mit dem „Willen zur Auslöschung“ verbunden. Faschistische Begehren, Krisen- und Gewaltfantasien werden u.a. durch Trans*feindlichkeit symbolisch verdichtet und mit einer Strategie des inneren Krieges artikuliert (Becker 2025). Faschisierung ist „noch-nicht-Faschismus“. So können u.a. ausgehend von den trans*feministischen „Begehren nach Befreiung“ neue popular-demokratische (Hall) wie intersektionale Widerstandsbewegungen entstehen.
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4.20 p.m.
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Panel 2: On the possibility of transfeminist reorientation(s)
Chris Lapp
(Öko-)Transfeminismen
Nachdem trans- und ökofeministische Perspektiven lange Zeit als unvereinbar galten, verfolgt dieser Beitrag das Ziel, beide Diskurse enger miteinander zu verknüpfen. Im Zentrum stehen dabei Ansätze der Trans Ecologies, wie sie in den letzten 15 Jahren unter anderem von Cleo Wölfle Hazard und Eva Hayward im englischsprachigen Raum entwickelt wurden. Ausgangspunkt ist die Frage nach der Entstehung der „modernen“ trans Identität Anfang des 20. Jahrhunderts, sowie nach Anknüpfungspunkten zur kritischen Ökologie. Ein zentrales Anliegen ist es, die Entstehung des Begriffs „gender“ im anglophonen Raum kritisch zu beleuchten und aufzuzeigen, in welcher Weise „modernes“ trans Sein von Beginn an als etwas „Unnatürliches“ konstruiert wurde. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Arbeiten von Marquis Bey zum Schwarzen Transfeminismus Bezug genommen, die binäre Geschlechterkonzepte grundlegend infrage stellen. Ergänzend dazu sind Mel Chens Überlegungen zu Animacies von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die kategoriale Abgrenzung von „Spezies“ und „Geschlecht“. Im Mittelpunkt steht die Überlegung, inwiefern trans Identitäten – insbesondere trans Weiblichkeiten – nicht nur als soziale Konstruktionen, sondern auch als biologisch gedacht werden können. Kritisch reflektiert wird dabei der bis heute wirkmächtige cartesische Dualismus, der eine strikte Trennung von Natur und Kultur – und in der Folge auch von biologischem und sozialem Geschlecht – etabliert hat. Ausgehend von den genannten theoretischen Arbeiten soll aufgezeigt werden, dass eine scharfe Trennung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht kaum haltbar ist. Es wird die Frage gestellt, warum diese Trennung überhaupt aufrechterhalten wird – und welche politischen und sozialen Implikationen dies hat. Ziel ist es zudem, zu zeigen, dass die Überwindung des Natur-Kultur-Dualismus keineswegs zu einer weiteren Entmenschlichung bereits marginalisierter Identitäten führt, sondern im Gegenteil die Grundlage dieser Marginalisierung infrage stellt.
Romy Soma Rasper
QueerCripborgs – Fitting Futures for Monsters and Accomplices
Although trans and disabled experiences can be understood through similar conceptualizations of bodies, and both communities exhibit notable overlap, transfeminist theory and crip theory seem to be brought rarely together, particularly within German contexts. In this presentation, I explore the monstrous bodymind, integrating Susan Stryker's reclaiming of the monstrous with Margaret Price's bodymind concept, which posits that the intricate processes of body and mind are indivisible. Built on the strong anti-naturalist convictions of the confluence of trans feminist Xenofeminism and Crip Technoscience, I analyze the Othering through construction of monstrosities, that both trans and disabled people experience. With that same lens, I subsequently explore ways of reclamation and reconfiguration of this dehumanization and offer approaches to how trans-disabled experiences can inform ethico-onto-epistemological concepts for thinking accessible futures. Part of this exploration is the remarkable use of body techniques and technologies such as prosthetics, hormones and exercises through the lens of anticipatory world encounters as „common cyborgs“, a term coined by The Cyborg Jillian Weise to bring attention to those reliant on technology in their bodies to survive. These contemporary experiences shall anchor the conductive discussion of making futures fit for monsters and accomplices in the current intersectional struggles for survival and justice of marginalized groups.
Andria Nyberg Forshage
Slaughterhouse Femme: Trans (Feminist) Aesthetics and Death
Through trans-genre and transdisciplinary writing, this paper explores the relations between relations between subjectivity, meat, flesh, work, violence, transmisogyny, and sex, drawing on the work of contemporary artists working with trans themes (including P Staff and Jade Kuriko Olivo, as well as filmmaker R. W. Fassbinder) to critique eco-feminist legacies in search of a critical trans (fem) aesthetics across text, moving images, and conceptual art. Emerging through the reoccurence of tropes of slaughter in trans feminist works, the topos of the slaughterhouse indicates a world closed off from visibility, a ‘hidden abode of production’ for necropolitical and (decomposing) spectacular, ecocidal, and illiberal capitalism. Contending with such tropes means grappling with fragmenting and representational violence against subjects ontologised as always-already fragmented. Drawing on transgender marxist feminist theory, the paper proposes to further develop the concept of a “trans-death continuum” as a theoretical lens for understanding the paradoxical or vexed relation of trans femininity to issues of representation, in its political and aesthetic meanings, within and against necropolitical, colonial and racial capitalism in its current and ongoing transformations. It poses the question of how uses of cinematic-poetic opaque strategies for escaping the representational regimes that surround trans/queer lives might suggest ways that trans (fem) art practices function as ways of making sense of theory, or theories of the senses, conjuring and contesting forms-of-life and at the same time opening modes of thinking-with crucial for queering and transing the aesthetics and politics of death.
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6.15 p.m.
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Public keynote speech by Prof. Emma Heaney, NYU
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Dinner
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Saturday, 28 June 2025
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09.30 a.m.
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Start
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09.40 a.m.
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Panel 3: Trans Identitäten, trans Subjektivität?!
Eric Llaveria Caselles
Post-identitäre Transfeminismen: Praktiken der Kritik
Die Kritik an Geschlechtsidentität ist ein Anliegen, der von unterschiedlichen Positionen innerhalb transfeministischer Theorieentwicklung entwickelt wird. In meinem Beitrag setze ich das Denken von Marquis Bey (Black trans feminism, 2021) in Verhältnis zum Ansatz von Jules Gill-Peterson (A short history of trans misogyny, 2024). Ich lese die Werke als exemplarisch für zwei Ausrichtungen transfeministischer Theorieentwicklung, die unterschiedliche Schwerpunkte in deren politische Horizonte setzen: eine queerdekonstruktivistische und gender-abolitionistische Orientierung (Bey) und eine transmaterialistische Orientierung, die mit einer Affirmation von marginalisierten trans Feminitäten einhergeht (Gill-Peterson). In meinem Beitrag stelle ich die Frage inwiefern Bey und Gill-Peterson eine Überwindung von Identität gelingt, oder inwiefern ein Identitätsdenken zentral in ihren Entwürfen verankert ist. Meine Arbeitshypothese setzt sich aus den folgenden Argumenten zusammen. Zunächst lese ich in Beys Ansatz eine Subjektivität, die in der radikalen Ablehnung von Körperlichkeit und Materialität als Fundierung von Geschlechtsidentität, eine Identität mit einer antinormativen ideellen Utopie er- bzw. einfordert, die stark am autonomen weißmännlichen Subjekt erinnert. Gill-Petersons Konstruktion von Transfeminisierung als historische Struktur, die die subjektive Kategorie von Geschlechtsidentität erübrigen soll, entlarvt sich, so meine Lektüre, als eine Essentialisierung von Transfeminität. Aus diesem Fortleben von Identität in post-identitären Feminismen leitet sich für mich folgende Fragen ab: wie kann eine transfeministische Kritik aussehen, die weder Identität reifiziert, noch von sich behauptet jegliche identitäre Bindung überwunden zu haben? Welchen Ansätzen in trans Theorie und Politik können so eine Kritik informieren? Ich verweise auf drei Ansätze, die hierfür Impulse anbieten. Erstens, die deutschsprachigen kritischen Geschlechtertheorie am Beispiel von Becker-Schmidt und ihr Begriff der Vermittlung. Zweitens, die travesti Theorie und Politik von Lohana Berkins die unterschiedliche, z.T. widersprüchliche Register bedient hat. Drittens, der Anstoß von Paisley Currah in Sex is as sex does (2022) für Modi der Analyse, die primär Logiken von Praktiken rekonstruieren.
Tyan Fritschy
Trans/Sexualität als radikale Enteignungspraxis – Impulse aus Black Feminism und Black Studies
Ausgehend von den Konzepten ungendered flesh (Hortense Spillers) und traniflesh (Marquis Bey) untersucht dieser Beitrag, wie sich Trans/Sexualität als radikale Enteignungspraxis denken lässt, die Geschlecht und Sexualität aus Eigentumslogiken herausbricht. Der vorgeschlagene Begriff Trans/Sexualität verortet Trans jenseits der liberalen Dichotomie von Essenzialismus und Wahl - einer Ontologie, die aus der Perspektive von Black Studies grundlegend infrage gestellt wird. Als somatisch-begehrenspolitische Konstellation destabilisiert Trans/Sexualität nicht nur Cis-Heteronormativität, sondern auch queerfeministische und transpolitische Vereinnahmungen von Geschlecht und Sexualität. Diese Anti-Logik des Eigentums verweigert die Vorstellung, dass wir ein Geschlecht oder eine Sexualität “haben”, und wird so zur Bedrohung ontologischer Gewissheiten. Am Beispiel des STAR-House (Sylvia Rivera/Marsha P. Johnson) zeigt der Beitrag, wie obdachlose trans* Jugendliche durch Sexarbeit die gewaltsame Logik des flesh gegen das System wandten. Diese Praxis war weder Inklusion noch Selbstbestimmung”, sondern ein Abriss der Eigentumsordnung - eine abolitionistische Geste, die staatliche und kapitalistische Körperpolitiken unterlief. Am Beispiel transfemininer Sexarbeit argumentiere ich, dass diese Perspektive unverzichtbar ist, um heutige Kämpfe gegen Rassismus, Neoliberalismus und staatliche Gewalt zu führen – und dabei die Frage zu stellen: Was heißt es, Trans/Sexualität nicht als Identität, sondern als radikalen Bruch mit dem, was ist, zu organisieren? Diese Intervention versteht sich als Beitrag zu einer transfeministischen Theoriebildung, die ihr epistemisches Zentrum in den Kämpfen Schwarzer Feminist:innen verortet. Der Beitrag versucht zu verdeutlichen, wie Black Feminism und Black Studies einen transfeministischen Materialismus prägen: Spillers’ Enteignungskonzept und Beys Kritik an Geschlecht in einer proprietären Matrix rahmen Trans/Sexualität als Angriff auf unterschiedliche – mitunter “progressive” – Kontrollregime. In der Perspektive dieses Beitrages geht es nicht um die Wiederaneignung körperlicher Autonomie, sondern um kollektive Enteignung als Bedingung radikaler Veränderung.
Helen J. Stephan
Über die Sexualität von Dominanz – Möglichkeiten für Beziehungsweisen jenseits des sich selbst besitzenden Subjekts
In diesem Vortrag werde ich ausgehend von meinen trans*misogynen Erfahrungen der letzten 15 Jahre (CW!) als weiße trans* Frau den Versuch unternehmen eine generellere Problematisierung weit verbreiteter sexualisierter Gewalt von cis-männlichen Personen zu erarbeiten. Deren psychische Abwehr und die damit verbundene un_bewusste Präsenz der eigenen libidinösen Abhängigkeit von anderen sowie der eigenen Verstrickung in Gewalt, kann zu einem ebenso mehr oder weniger bewussten Selbsthass führen und im äußersten in der gezielten Ermordung des ‚Anderen‘ münden. Diese geschlechtlich aufgemachte Relationalität ist grundlegend mit rassistischer und kolonialer Gewalt verwoben. In den Mittelpunkt meiner Überlegungen stelle ich dabei das Imaginäre des aufklärerischen Subjekts des Selbstbesitzes, dessen strukturelle Abhängigkeit von verschiedenen Beziehungsweisen mit den anderen als Objekte und nicht als gleichwertige lebendige Wesen verdrängt werden muss (bspw. rape culture, epistemischer Imperialismus, natürliche Ordnungen, Eugenik, etc.). Ich erzähle diese Konstitution des Selbst als einen Effekt der Beziehungsweisen im racial capitalism, des white enslavism, und der historischmaterialistischen sowie biomedizinischen Produktion binär-geschlechtlicher onto-Epistemologien - trans*ness und Blackness (oder der Körper als ‚flesh‘) sind darin als anti-Subjekte konstitutiv für diese neurotische Identitätsordnung. Diese Dichotomie der Subjekt-Objekt-Relation muss aber strukturell immer wieder verunsichert und destituiert werden, weil das Objekt zwangsläufig Macht über ‚ihn‘ hat, also agentiell die Kontrolle des Subjekts über die Situation bedroht. Was bedeutet dies für emanzipatorische Theorien und Praxen? Anhand von Devon Prices Text ‚trans* misandry is not real‘ werde ich die problematische Zuweisung starrer intersektionaler Identitätspositionierungen und besonders die Wiederholung dieser toxischen Subjekt-Objekt-Beziehung herausarbeiten. Meine Sozialisations- und Transitionserfahrungen in deutschen linken Milieus möchte ich dabei immer als Abgleichs- und Reibungsfläche benutzen um daraus eine dekoloniale, queere, feministische und trans* affirmative Ethik zu entwerfen, die trans* Männlichkeiten (und anderen Geschlechtlichkeiten) transformative und prozesshafte (Selbst-) Beziehungen ermöglicht. Sie muss über die affektiven Strukturen der Subjekt-Objekt-Relation hinausgehen, um Handlungsfähigkeit, Begehren und liebende Beziehungen zu anderen ermöglichen zu können.
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11.30 a.m.
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Panel 4: Medizinische Komplexe und ihre Navigierung(en)
Flora Löffelmann
Rhetorisch-Epistemische Unterdrückung am Beispiel von trans Erfahrungen
Durch welches Konzept können wir Erfahrungen von trans Personen, die in Österreich medizinisches Gatekeeping erleben, besser verstehen? „Rhetorisch-Epistemische Unterdrückung“ (REU) ist eine Form von Wissensungerechtigkeit (Fricker 2007), die Personen in Situationen mit einem starken Machtungleichgewicht zwingt, sich vorherrschenden Normen anzupassen. Trans Personen in Österreich sind durch medizinisches Gatekeeping gezwungen, sich drei psychologischen Gutachten zu unterziehen. Ihre Erfahrungen spiegeln diese Form von Unterdrückung wider, die ich basierend auf Michel Foucaults (1981, 2019) Überlegungen zum Geständnis entwickle. Durch REU sind sie gezwungen, nur Aussagen zu ihrer körperlichen Situiertheit und persönlichen Geschichte zu treffen, die sozial vorherrschenden Normen und Erwartungen entsprechen. Gedanken und Gefühle, die diesen Normen nicht entsprechen, sollten nicht artikuliert werden. In dreierlei Hinsicht wirkt sich REU negativ aus: zum einen als epistemische Unterdrückung (Dotson 2014). So findet Wissen von marginalisierten Personen, das nicht vorherrschenden Normen entspricht, nicht in allgemeines Wissen Eingang, und Personen und Gruppen werden in ihrer wissensbezogenen Handlungsfähigkeit verletzt. Zweitens in der Form von epistemischer Herrschaft (Altanian 2024; Dular 2023). Diese zwingt unterdrückte Personen, sich in Konzepten zu beschreiben, die zu ihrer Unterdrückung beitragen. Im Fall von trans Personen etwa solche, die binäre cis-Geschlechtlichkeit als Norm verfestigen. Die dritte Auswirkung ist affektive Ungerechtigkeit (Srinivasan 2018), die Verzweiflung, Zukunftsmüdigkeit, Abstumpfung, Burnout und Wut nach sich zieht (Ahmed 2004; Malatino 2022). In einer historischen Genealogie, die den Abschluss meines Projekts bildet, verbinde ich sexualwissenschaftliche Literatur mit kontemporären Trans Studies und zeige, dass koloniale Geschlechternormen bis heute nachwirken. So kristallisiere ich die gegenwärtige Situation von trans Personen im österreichischen Gesundheitssystem als Konsequenz kolonialer epistemischer Systeme heraus, die historisch genutzt wurden, um die Unterdrückung von Menschen mit Geschlechtsausdrücken, die nicht den europäischen Geschlechternormen entsprechen, zu rechtfertigen. Ich argumentiere, dass durch das Fortdauern dieser Wissenssysteme trans Personen weiter pathologisiert und sind von medizinischem Gatekeeping betroffen sind.
Amina Arn
Imaginationen “falscher Körper”. Zur Ambivalenz von trans* Narrativen und ihrer Verschränkung mit Weißsein
Die vorliegende Arbeit untersucht das Narrativ des „Seins im falschen Körper“ als zentrales Element eines Dispositivs von Transgeschlechtlichkeit, das innerhalb weißer, kolonialer und heteronormativer Wissenssysteme entstanden ist. Es wird gezeigt, dass Weißsein historisch in enger Verbindung mit der Vorstellung von Geschlechtseindeutigkeit konstruiert wurde. Innerhalb dieser epistemischen Ordnung fungiert Transgeschlechtlichkeit nicht als Bruch, sondern als stabilisierendes Moment, das Abweichung regulierbar und klassifizierbar macht. Das trans* Narrativ des „Seins im falschen Körper“ wird dabei als medizinisch und kulturell codierte, weisse Transnormativität verstanden, die seit dem späten 19. Jahrhundert in verschiedenen Diskursen zirkuliert und spätestens mit der Institutionalisierung durch Akteure wie Harry Benjamin und US-amerikanische Geschlechtskliniken hegemonial wurde. In dieser Geschichte wird deutlich, wie wissenschaftlicher Fortschritt, koloniale Körperpolitiken und rassifizierende Diskurse zusammenwirken, um Transgeschlechtlichkeit als diagnostizierbare und therapierbare Abweichung zu rahmen. Filmische Repräsentationen spielen eine zentrale Rolle in der Reproduktion und Weiterentwicklung dieses Narrativs. Durch die visuelle Darstellung von Transgeschlechtlichkeit wird das medizinisch-kulturelle Deutungsmuster nicht nur bestätigt, sondern um affektive Bilder ergänzt, die trans*feindliche Stereotype verstärken. Besonders deutlich wird dies im Film Transamerica, in dem die Hauptfigur entlang normativer Vorstellungen von Geschlecht, Weißsein und Heterosexualität gealtert und als trans* markiert wird. In der Inszenierung von trans* Personen spiegelt sich damit nicht nur gesellschaftliche Normierung, sondern auch ein Begehren nach Ordnung, Abgrenzung und Sichtbarmachung des vermeintlich „Anderen“. Eine subversive Analyse zeigt aber auch, dass das weisse, cisperspektivische Dispositiv von Transgeschlechtlichkeit nicht nur zur Projektionsfläche rassifizierter und vergeschlechtlichter Ängste, sondern auch Wünsche wird. Die Arbeit versteht sich als Beitrag zu einer trans*feministischen Wissenskritik, die koloniale Kontinuitäten sichtbar macht und bestehende Machtverhältnisse in der Darstellung und Wahrnehmung von Transgeschlechtlichkeit hinterfragt. Sie plädiert für eine intersektionale Perspektive, die weiße Transnormativität nicht reproduziert, sondern dezentriert.
Laro Bogan
EXPLORING ANTIFASCIST TRANS*FEMINISMS (AT)
Realitäten eines um sich greifenden Faschismus färben progressive Horizonte düster ein. Kritische Denker*innen beeilen sich, die notwendigen Analysen aktueller Faschisierungsprozesse für die verschiedenen Kontexte vorzunehmen. Parallel zur Analyse und Beschreibung gilt es zu sortieren und zu fragen: Von welchem Praxiswissen ausgehend können wir einen Antifaschismus entwickeln und stärken, der nicht nur blockiert, verlangsamt und Überleben sichert, sondern auch progressive und friedliche Entwürfe des Zusammenlebens hochhält und anschlussfähige Gegennarrative erzählen kann? Mein Paper beschäftigt sich mit antifaschistischen Aspekten und Potenzialen von materialistischen trans*feminismen, mit der Hypothese, dass diese gerade durch die Verschränkung von sexueller Differenz, Dekolonialität und Antikapitalismus Ausgangspunkte für Gegenentwürfe sein können – auch weil dies der liberalen Vereinnahmung von Feminismus entgegensteht. Für das Paper greife ich auf trans-feministisches Wissen via Gespräche und Interviews mit lokalen antifaschistischen trans*Aktivist*innen und Künstler*innen zu, und verbinde sie mit transfeministischer Theorie. Schwerpunkt sind die Aspekte care, Räume, Sicherheit, Wohlbefinden, Allianzen, Konfliktbewältigung, politische Imagination und Motivation. Die gewonnenen Impulse möchte ich als unabgeschlossenen Mapping präsentieren und zur Diskussion stellen. Das Paper ist Auftakt meiner künstlerisch-aktivistischen Forschung zu antifaschistischen Feminismen und Strategien und öffnet sich hin zu Formaten und Epistemologien auch über die Wissenschaft hinaus.
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2 p.m.
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Panel 5: Gefährliche trans Körper in Kontexten (weißer) Versicherheitlichung
Eryn Staiblin
Calling Doll Security! Abolitionistische & transfeministische Perspektiven auf Sicherheit
Im Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD betonen die Parteien bei der geplanten Evaluation des Selbstbestimmungsgesetzes einen Fokus auf “den wirksamen Schutz von Frauen” zu richten. Dezember 2024 meldet sich der deutsche Saunabund in Anbetracht des Selbstbestimmungsgesetz mit einem Leitfaden, der zu “Sichtkontrollen” an der Kasse aufruft, um einen fälschlichen Zugang von Personen in die geschlechtsspezifischen Bereiche der Saunen zu verhindern. Damit wird eine Nähe zu den “bathroom bills” in den USA etabliert, die auch an die Infragestellung der Teilnahme von transfemininen Personen im Sport anknüpft. So war bspw. Imane Khelif letzten Jahres mit einer transmisogynen Hetze konfrontiert, die zeigt wie Transfeminisierung relational verläuft. Diese Entwicklungen geschehen nicht abseits zunehmender staatlicher und institutioneller Versicherheitlichung und fügen sich in einen Diskurs um Sicherheit ein, der marginalisierte Menschen in Narrative der Bedrohung einwebt.) Hinter üblichen rechts-konservativen und TERF-Argumentationen enthüllt sich die Figur (ein Tropus) der vermeintlich gefährlichen trans Frau, die durch ihre assoziierte Männlichkeit bzw. ihren Penis Gewalt und Unterdrückung für cis Frauen bedeute. Der Schutz von echten Frauen, die Wahrung ihrer Schutzräume und ihre kategorische Unschuld ist die Linse durch die transfeindliche, vor allem transmisogyne, Narrative konstruiert werden. In ihrer Theoretisierung eines radikalen Transfeminismus beschreiben Nat Raha und Mijke van der Drift “anti-trans violence as a defence of categorical innocence, so as not to lose voice” (2020, 107), denn anstatt auf die gemeinsamen Erfahrungen zu fokussieren, die transfeminine Personen mit nicht-trans Frauen teilen, um verbunden gegen patriarchale Gewalt vorzugehen, fokussieren sie (transfeindliche Frauen) auf kategorischen Exzeptionalismus, den sie durch eine Opfer-Täter-Dynamik und Unschuldigkeit begründen. Die Instrumentalisierung von Sicherheit legitimiert alltägliches Polizieren, was migrantisierte, sexarbeitende und rassifizierte Menschen bspw. durch erhöhtes racial profiling besonders betrifft. Heike Schottens Analyse der Verbindung von TERFism und Zionismus (2022) bietet sich in Anbetracht der akuten Repression von Palästina-solidarischem Aktivismus an, um über faschistische Politiken, Sicherheitsmaßnahmen und die Bedeutung von Figuren der Bedrohung wie der gefährlichen trans Frau darin, nachzudenken. Dieser Beitrag versucht anhand abolitionistischer Perspektiven, repressive und karzerale Logiken von Sicherheit in Frage zu stellen und die intersektionalen Analysekategorien Transmisogynie und Transmisogynoir verstärkt in deutschsprachige (wissenschaftliche) Diskurse zu verankern. Wie kann Sicherheit abseits staatlicher Instanzen erlebt und transfeministisch gedacht werden?
Dana Mahr
Von der trans* Person zum Cyborg: Verschwörungsnarrative über Transgender und Transhumanismus im postfaktischen Diskurs
In jüngsten Diskursen der extremen Rechten und verschwörungsideologischer Milieus lässt sich eine zunehmende Verknüpfung von Transgender-Identitäten mit Transhumanismus beobachten. In diesen Erzählungen erscheinen trans* Menschen nicht nur als Symbol gesellschaftlicher Dekadenz, sondern als Ausdruck einer angeblich technokratischen Elitenagenda, die auf die „Abschaffung des Menschlichen“ abziele. Diese Narrative oszillieren zwischen biopolitischer Kontrolle, technikfeindlichem Kulturpessimismus und antisemitischen Strukturierungen – etwa in der Vorstellung, „globale Eliten“ betrieben über Gender-Mainstreaming, KI und Genetik die „Entwurzelung“ der Menschheit. Der Beitrag analysiert, wie solche Erzählungen in sozialen Netzwerken, rechtsextremen Bewegungen und medialen Debatten zirkulieren und welche Funktionen sie erfüllen: Sie externalisieren gesellschaftliche Verunsicherung, naturalisieren binäre Geschlechterverhältnisse und positionieren Trans*körper als technisierte Bedrohung. Dabei wird Transgender-Existenz zur Projektionsfläche für einen fundamental-reaktionären Widerstand gegen soziale und technologische Transformation. Ausgehend von diskursanalytischen Fallstudien, Interviews und Material aus journalistischen sowie digitalen Öffentlichkeiten frage ich: Welche politischen Implikationen entfalten diese Narrative? Wie greifen sie in Debatten über Gender, Technik und Zugehörigkeit ein? Und welche Formen der Gegen-Narration sind möglich – insbesondere im deutschsprachigen Raum, wo diese Debatten zunehmend Anschluss an politische Institutionen finden? Der Beitrag möchte transfeministische Analyse mit Technik- und Verschwörungsforschung verbinden und einen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Anti-Trans- und Anti-Tech-Narrativen leisten, die nicht nur marginalisierte Körper, sondern auch progressive Zukunftsvorstellungen delegitimieren.
Nelly Gypkens
The role of white victimhood in anti-gender and gender-critical movements – perspectives from TERF island
This work seeks to trace and understand the role of discourses of white victimhood in contemporary iterations of anti-gender and gender critical TERF movements. Of particular interest for this exploration is the role that white victimhood plays for the transmisogyny of the gender-critical movement. One overwhelming dynamic is the demonization of trans women as predatory by women, who position themselves as victimized by the existence of trans women. While this transphobic myth is not expressed only by white people, this work is interested in understanding it in the broader political context of and allegiances with racist projects that are vested in white supremacy. The analytical focus on discourses of white victimhood meaningfully contributes to understanding of the material and discoursive alliances between self-proclaimed gender critical feminists with conservative anti-gender actors. The exploration empirically draws on discussions of the GRR Scotland Bill in Scottish and British parliaments as well as on documents by advocacy groups in regard to the Bill. While the cultural specificity of British anti-gender and gender-critical movements is undeniable, they can serve as a meaningful point of comparison and contrast for their German counterparts. This is especially the case due to the comparative strength of the gender-critical movement in the UK at a time at which the German gender-critical perspective is growing more pervasive.
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4 p.m.
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Panel 6: Trans-emanzipatorische Projekte und ihre Temporalität(en)
Luce deLire
Niemand Muss Cis Sein! Über Trans-Lesbianismus und den transsexuellen Vertrag
Trans Politik ist oft Minderheitenschutz. Aber Selbstbestimmungsgesetz, Trump Executive Orders und die Diskursverschiebungen der letzten Jahre zeigen, dass diese Strategie weitgehend gescheitert ist. Die politische Rechte hat Trans-Themen mehrheitsfähig gemacht. Über das Phantasma, „die Frauen und Kinder zu schützen“, werden vergangen geglaubte Formen von Unterdrückung und Herrschaft derzeit neu erfunden. Anstatt trans Fragen als Gruppenspezifisch zu betrachten, sollten wir ihre Universalität in den Vordergrund stellen: Alle transitionieren. Cis-Sein ist eine Transition wie jede andere auch. Die Regulierung von Transitionen aller Art - sei es durch gesetzliche Beschränkungen, medizinisches Gatekeeping oder soziale Normen – sind keine trans-spezifischen Themen, sondern universelle politische Anliegen. In Anknüpfung an Carolee Pateman (The Sexual Contract), Charles Mills (The Racial Contract), Monique Wittig (The Heterosexual Contract) und meine eigenen Arbeiten (zB: Can The Transsexual Speak?), entwickle ich eine Theorie des transsexuellen Vertrags. Wittig argumentiert, dass jeder Mensch in westlichen Gesellschaften durch einen Gesellschaftsvertrag zur Heterosexualität gezwungen wird. Dieser Vertrag ist auf die Ausbeutung der Reproduktionsarbeit ausgerichtet. Darauf aufbauend argumentiere ich, dass wir unter diesem heterosexuellen Vertrag einen transsexuellen Vertrag finden, der sicherstellen soll, dass das Geschlecht mit der Reproduktionsfähigkeit in Einklang gebracht wird. Dementsprechend benachteiligen Staaten nicht nur Transgeschlechtlichkeit, sondern zwingen alle aktiv zur Transition in die ihnen zugewiesene Cisgeschlechtlichkeit. Die Kontrolle des Geschlechts betrifft daher alle Menschen gleichermaßen. In Debatten über die gesetzliche Regelung von Transgeschlechtlichkeit geht es nicht nur um trans Personen, sondern um die Gesellschaftsordnung selbst. Trans Menschen sind dabei Kollateralschäden des Versuchs, Menschen in ihre Cis-Geschlechtlichkeit hineinzudisziplinieren. Gibt es ein Jenseits des transsexuellen Vertrags? Für Wittigs sind Lesben diejenigen, die sich dem heterosexuellen Vertrag verweigern. Analog dazu verstehe ich Trans Lesbianismus als die Verweigerung des transsexuellen Vertrages. Trans Lesbianismus gilt nicht nur für trans Menschen, die zufällig auch lesbisch sind. Trans Lesbianismus umfasst alle Transitionen - trans, cis, nicht-binär und darüber hinaus. Trans Lesbianismus ist die Flucht aus dem transsexuellen Vertrag - Trans-Fugitivität. Trans Lesbianismus ist die Freude in der Gastfreundschaft gegenüber dem Begehren der Anderen - eine spielerische Begegnung jenseits eines definitiven wer, wo, was und warum.
Camille J. Laufer
Trans-autonomist (research) perspectives in the rise of fascism
My paper analyses how self-injection workshops in trans community care enable people to distance and even gain autonomy from the medical system in the transition pathway. I look at the use of feminising and masculinising hormones (oestrogens, testosterones, etc.) that are bought, consumed and sometimes produced - only in the case of oestrogens - in parallel circuits. I examine how experimental engagements with self-medication challenge or reaffirm the necessity of autonomy in trans healthcare, risk reduction, the normal and the pathological in the life trajectory of trans people. This paper is based on six months of participant observation and around ten semi-structured interviews within a hormone self-injection group run by and for trans people in Switzerland. Through information and self-injection sessions, the group offers informal opportunities for risk reduction, support and experimentation with hormone therapies as an alternative to medical institutions. Following a transmaterialist analysis (Clochec & Grunenwald, 2021; Beaubatie, 2021), I will analyse how transition pathways construct and are constructed by community care by focusing on the impact of self-injection workshops. In addition, I will look at the influence of workshops and hormone experimentation on transition pathways according to factors such as race, class (including economical and cultural capital (Bourdieu, 1980)), and gender in the rise of fascism. I will explore how communities and individuals refuse, adapt or navigate pharmaceutical and medico-legal regimes (Beaubatie, 2016), through « lay expertise » (Epstein, 1995) around substances prescribed by medical institutions and trans DIY (Do It Yourself) (Wang, 2024). I emphasise the ambivalence of access to care according to social position, and the division of patient labour (Strauss et al., 1982) operated by trancommunity apparatuses. Preliminary findings reveal a shift away from the queer romanticisation of hormonal experimentation (Preciado, 2008) towards the material as well as epistemic necessities to organise access to transitional technologies and harm reduction information, while underlining the ambivalence of conducting research on trans-autonomy.
Kilian Schmidt
Re-Membering Marsha P. Johnson and the Po_et(h)ics of Trans*Temporal Touches
Under the current and continuous attacks on trans* life in past, present and with future consequences, time for many feels like the opposite of what Western modernity's cis-heteronormative racial capitalism has naturalized and narrated as a coherent, universal, linear and teleological progression. It feels like the state of the world is moving backwards to a moment many assume_d long overcome, while others clad in red baseball caps long_d for - great again. Ethical questions around H/history, memory, archives, temporality and kinship are at the center of trans*feminist politics when many choose the strategy of 'we have always been here' or past existence to justify current presence and future survival. However, as I and the voices I gather in this paper/presentation argue, a practice of re-membering is necessary that stands against gestures of neo-colonial appropriation, orientalist nostalgia and romanticizing commodifications often at play when one looks for the trans*cestors. How do we look after the most vulnerable of our community for example trans* femmes and the racially marginalized like 'icon’ Marsha P. Johnson, whose life, legacy and spectral presence far exceeds, but is often narratively limited to the myth of Stonewall or the violence of her death and a search for justice embedded in a carceral logic contradicting her actual politics. Informed by Saidiya Hartman’s critical fabulations I am close-reading Cherokee Two-Spirit writer and activist Qwo-Li Driskill's poem For Marsha P. (Pay It No Mind!) Johnson and sex-art-worker and curator Ginger Angelica’s mixed media installation A Chapel for trans*temporal touches (Dinshaw) or moves and moments that intimately re-member Marsha, care-fully step into community with her and fabulate belonging otherwise.
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Closing session
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6 p.m.
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End
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