Die Texte vieler Philosophen, von Aristoteles über Hegel bis zu Heidegger und der zeitgenössischen Philosophie, sind geprägt von androzentrischen und sexistischen Implikationen. Das ‚Männliche‘ wird zum Ideal- oder Normalzustand erhoben, die ‚Frau‘ befindet sich in diesen Texten immer zwischen Inklusion und Exklusion. Die spezifischen Erfahrungen ihres Seins bleiben außen vor. Feminist*innen begannen deshalb in den 1970er Jahren mit feministischen Interventionen in die Philosophie, die bis heute anhalten: Dabei werden einerseits die (misogynen) Aussagen über Frauen und gebärfähige Personen in den Fokus gerückt, andererseits Leerstellen und implizite normative Setzungen in Bezug auf gender, aber z.B. auch race und class herausgestellt. Zentral ist außerdem die Frage, wie der Kontext des Gesamtwerks des jeweiligen Philosophen zu bewerten ist. Schließlich zielen feministische Kritiken auch darauf ab, auf die Beschränktheiten und unausgeschöpften Möglichkeiten der klassischen Theorien hinzuweisen.
Der Workshop stellt verschiedene Lektürestrategien zur Offenlegung des Androzentrismus und Sexismus in klassischen philosophischen Theorien vor, lädt zum Ausprobieren und Weiterentwickeln ein. Abschließend soll diskutiert werden, ob und inwiefern sich klassische philosophische Theorien durch solche Herangehensweisen feministisch (um)nutzen lassen.
Der Workshop richtet sich an Studierende aller Fächer, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Vorbereitende Texte werden Anfang Juni zugänglich gemacht, die Lektüre ist freiwillig, aber empfohlen. Die Teilnehmer*innen sind dazu eingeladen, kurze Textabschnitte (nicht länger als 1-2 Seiten) mitzubringen, die sie kritisch befragen oder feministisch umnutzen möchten.
Jola Vollmer hat Philosophie, Soziologie und Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main, Potsdam, Wien und Umeå (Schweden) studiert. In ihrer Masterarbeit im Fach Philosophie führte sie – auf Basis einer feministischen Lektüre der Möglichkeitsbegriffe von Aristoteles und Martin Heidegger – eine phänomenologische Analyse von Schwangerschaft als Potentialität durch. Im Sommersemester 2024 hat sie einen Lehrauftrag an der Netzwerkstelle für Genderforschung und -lehre der Universität Halle-Wittenberg inne. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen feministische und intersektionale Debatten um Körper und Reproduktion, (feministische) Phänomenologie, epistemische Ungerechtigkeit, psychoanalytische Gesellschaftstheorien und kritische Theorien (der Bildung).
Anmeldefrist
Bitte melden Sie sich für den Workshop bis zum 31.05.24 über das folgende Formular an.
Vorläufige Literaturliste:
Despentes, V. (2018). King Kong Theorie. Kiepenheuer & Witsch.
Hester, H. (2020). Xenofeminismus. Merve Verlag.
Lettow, S. (1999). Feministische Kritik in der Philosophie. Widerspruch, 34, 10–26.
Tuana, N. (1992). Woman and the History Of Philosophy. Paragon House.