
Am 12.05.2025 organisierte das CGC das Symposium „Sich Einrichten in der Krise: Queerfeministische Interventionen ins Wohnen“. Das Symposium war gleichzeitig Würdigung und Verabschiedung von Sarah Speck, die von ihrem Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung an der Goethe Universität als Professorin für Vergleichende Kultursoziologie an die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gewechselt ist.
Bettina Kleiner eröffnete als Direktorin des CGC den Abend. Johanna Leinius und Lilian Hümmler, die das Symposium hauptverantwortlich organisiert hatten, stellten im Anschluss das Programm vor und übergaben anschließend das Wort an Janina Schreckenberger, einer ehemaligen studentischen Hilfskraft des CGC und des Lehrstuhls von Sarah Speck. Als Vertreter*in der Studierenden würdigte Janina Schreckenberger in ihrem Grußwort nicht nur die persönliche Unterstützung Sarah Specks im Rahmen ihrer Masterarbeit, sondern auch ganz grundsätzlich Sarahs Betreuung, Lehre und zugängliche Art, die unter ihren Studierenden immer wieder auf große Wertschätzung stieß. Sarah Speck schaffe im Umgang mit ihren Studierenden Räume der Entfaltung, Hinterfragung und Ermutigung, so Janina Schreckenberger.
Bea Ricke, die für die Promovierenden sprach, zeigte sich glücklich darüber, dass sie Sarah Speck nicht als Betreuerin verlieren müssten. Für Sarah Speck wünschten sich die Promovierenden einen leichten Umzug nach Berlin, der sich wie ein zuhause Ankommen anfühle, sowie Zeit für sich selbst und Leichtigkeit im neuen Lebensabschnitt, trotz eines vollen Terminkalenders.
Den Hauptteil des Symposiums bildete die von Greta Wagner moderierte Podiumsdiskussion mit Tabea Latocha, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität Weimar, und Darja Klingenberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Unter dem Titel „Emanzipation und Solidarität beginnt Zuhause“ zeigte Tabea Latocha die Widersprüchlichkeit des Wohnens als einerseits Raum für Erholung, Sorge und Alltag und andererseits als kapitalistische Ware und Finanzobjekt auf. Daraus ergebe sich das Verhältnis zwischen Wohnen und den multiplen Krisen der Gegenwart als Widerspruch zwischen Kapital und Leben. Das Sich-Einrichten sei in Zeiten multipler Krisen verbunden mit einem Neuausrichten von Reproduktionsabläufen und einer Neuanordnung von Reproduktionsbeziehungen. Doch obwohl nach Tabea Latocha die aktuelle Regulation und Gestaltung von Wohnräumen patriarchale Verhältnisse und vergeschlechtlichte Arbeitsteilung aufrechterhalte, sieht sie in den Wohn- und insbesondere Küchenräumen auch Ausgangspunkte für eine Neuordnung gesellschaftlicher Verhältnisse. Letztlich plädierte sie nicht für das Einrichten in der Krise, sondern gegen die Krise.
Darja Klingenberg schloss sich mit ihrem Impuls „Die Krise aus Perspektive des Küchentisches. Einrichtungsstrategie feministischer Sozialforschung bei Sarah Speck“ den Überlegungen an. Sie berichtete von Sarah Specks Forschungsprojekt zur Neuordnung des Privaten, das direkt zu Beginn des Krisenmoments im März 2020 ansetzte und die Verstärkung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in der Pandemie offenlegte. Sich in der Krise einzurichten bedeute, einen Umgang mit den materiellen Bedingungen des Wohnens zu finden. Gerade in Momenten der Krise sei es entscheidend, auf eine bessere Zukunft ausgerichtet zu bleiben und die Möglichkeit des Gestaltens stützender und widerständiger, gesellschaftsverändernder Räume wahrzunehmen. Zum Abschluss betonte Darja Klingenberg, dass Handlungsräume des Sich-Einrichtens größer sind als wir annehmen und dass es sich lohne, diese Handlungsräume zu nutzen.
In den anschließenden Publikumsfragen wurden die politische Fruchtbarmachung von Räumen der Reproduktionsarbeit, das Verhältnis von (Wohn-)Utopien und (Wohn-)Prekarität, die Rolle der Haushaltstechnologien im Wohnen, die Verbindung von Queerfeminismus und Kollektivität sowie die Gemütlichkeit des Zuhauses diskutiert. Ganz praktisch ging es auch um das Hausprojekt LaRo5, das in Offenbach einen queerfeministischen (Wohn-)Raum geschaffen hat und Unterstützer*innen sowie Mitbewohnende sucht.
Nach den Publikumsfragen richteten Lilian Hümmler und Mahza Amini als Teil des Lehrstuhlteams Dankesworte an Sarah Speck, die dem gesamten Team als akademisches Vorbild diene und die vorhandenen Hierarchien im Wissenschaftssystem durchbrochen sowie nach neuen Lösungen gesucht habe. Sarah Speck habe den Zugang zu komplexen Gesellschaftstheorien ermöglicht, ohne diese zu vereinfachen, und damit gezeigt, dass Wissenschaft nicht elitär sein müsse.
Johanna Leinius und Bettina Kleiner bedankten sich als Teil des Leitungsteams des CGC bei Sarah für ihre Flexibilität, Präsenz und Verlässlichkeit, die sie immer wieder bewiesen habe und kommentierten einige der genuin „sarahesken“ Unvergleichlichkeiten in Arbeits- und Kommunikationsweise. Bei Sarah Speck ginge es immer um das Ganze. Kollektiv, miteinander und in solidarischer (Un-)Einigkeit.
In ihrer persönlichen Rede bedankte sich Sarah für die Kollaboration und Kollegialität, die sie am CGC erfahren habe. Ihr Abschied bedeute auch ein Abschied von Lilian Hümmler und dem gesamten Team des Lehrstuhls, das in den letzten Jahren viel auf die Beine gestellt habe. Sie berichtete, dass es eine ambivalente Entscheidung war, die Goethe-Universität zu verlassen. Nun blicke sie aber mit Dankbarkeit und Zufriedenheit auf ihre Zeit an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit neuen, sehr guten Lehrbedingungen, einer großen Wertschätzung für die Lehre und dem engeren Verhältnis zu den Studierenden durch die kleinen Seminargrößen.
Den Abend ließen die Anwesenden mit einem lateinamerikanischen Buffet und einem Umtrunk auf der Dachterrasse des Casinos ausklingen.
Wir danken dem Förderkreis des Cornelia Goethe Centrums für die finanzielle Unterstützung des Symposiums.