In dem Gespräch diskutieren Inga Haese und Mike Laufenberg über Sorgeverhältnisse im ländlichen Raum in Ost- und Westdeutschland. Dabei werden sowohl Praktiken des Sorgens um/mit Menschen als auch die Sorge um/mit Natur(en) eine Rolle spielen. Diese Praktiken entfalten im Kontext von Care-Ökonomien oder Care-Commons in ländlichen, strukturschwachen Räumen eine besondere Bedeutung, so die Ausgangsthese des Gesprächs. Im Mittelpunkt werden Regionen stehen, die sich durch hohe Armutsquoten, Langzeitarbeitslosigkeit, defizitäre öffentliche Infrastrukturen, Erosion lokaler Netzwerke durch Abwanderung und Verdrängung auszeichnen. Klassenverhältnisse spielen in diesem Kontext nicht nur als sozialstrukturelle Kategorie eine wichtige Rolle, sondern auch als Herrschaftsverhältnisse, über die sich kapitalistische Care-Verhältnisse reproduzieren. Kann Sorgearbeit in diesem Kontext jedoch auch die Funktion des Reparierens übernehmen? Dort, wo sich der Sozialstaat unter Bedingungen des Fachkräftemangels und zunehmender Ökonomisierung zurückgezogen hat, wird Sorgearbeit nicht nur verstärkt privatisiert, sondern auch in Care-Commons praktiziert, die neue transformative Räume eröffnen können. Ausgehend von dieser Diagnose sollen die transformativen Potenziale care-zentrierter Entwicklungen des ländlichen Raums ausgelotet werden. Solche Bewegungen irritieren, trotz aller Ambivalenzen, starre Dichotomie, die unser Denken von dynamischer Metropole und degradiertem Land prägen.
Dr. Mike Laufenberg ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Sexualität an der Hochschule Fulda. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Armuts- und Ungleichheitsforschung, den Gender und Queer Studies sowie der kritischen Gesellschaftstheorie. Aus diesen Perspektiven befasst er sich seit langem mit sozialen Reproduktions- und Careverhältnissen, seit einigen Jahren auch mit einem Fokus auf ländliche Peripherien.
© Kirsten Breustedt
Prof. Dr. Inga Haese, lehrt und forscht an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Sie war u.a. wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen Institut für Regionalentwicklung, an der Universität Kassel sowie am Hamburger Institut für Sozialforschung. Ihre Schwerpunkte sind Care-Ökonomien in ländlichen Räumen, Soziologie der Geschlechterverhältnisse und intersektionale Ungleichheiten.