Das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seiner Betonung von Innovation, Wachstum und Fortschritt, seinem auf Verbrauch, Vernutzung und Verschwendung basierenden Logik hat zu einer rücksichtslosen Ausbeutung von Mensch und Natur geführt. Die gebaute Umwelt hat daran immensen Anteil: Neubau und Betrieb von Gebäuden sind für mehr als die Hälfte der Treibhausgase weltweit verantwortlich. In Deutschland verbraucht kein anderer Wirtschaftszweig so viele Rohstoffe wie die Bauindustrie, gleichzeitig machen Bau- und Abbruchabfall jährlich über die Hälfte des gesamten Müllaufkommens aus. Ein behutsamerer Umgang mit der gebauten Umwelt ist darum dringend gefordert: Anstatt abzureißen und neu zu bauen, müssen wir das schon Gebaute pflegen und extraktive Baupraktiken überwinden.
Hier setzt das Projekt The Great Repair des Architekturmagazins ARCH+ in Kooperation mit der Universität Luxemburg und der ETH Zürich an. Mit einer Ausstellung in der Akademie der Künste Berlin und weiteren internationalen Stationen, Veranstaltungen und Publikationen präsentiert das Projekt über 40 Positionen aus Kunst und Architektur sowie Raumpraktiken, die der kreativen Zerstörung des Kapitalismus Strategien der Pflege, Wartung und Reparatur entgegensetzen. Ausgangspunkt sind Alltagspraktiken der Sorge und Beispiele für eine behutsamere Baupraxis. Die vorgestellten Praktiken weisen aber auch über die Pflege der gebauten Umwelt hinaus auf Wege der Reparatur sozioökonomischer, geopolitischer und ökologischer Zusammenhänge.
Alex Nehmer ist Kulturwissenschaftlerin und Redakteurin von ARCH+. 2015 bis 2016 arbeitete sie für das Haus der Kulturen der Welt in Berlin an der Publikationsreihe zur Ausstellung Wohnungsfrage, 2019/20 lehrte sie im Studiengang Kultur der Metropole an der HafenCity Universität Hamburg. Mit ARCH+ war sie Co-Kuratorin von Cohabitation (Silent Green, 2022) und The Great Repair (Akademie der Künste Berlin u. a., seit 2023).
Markus Krieger ist Architekt, Redakteur und Kurator. Bei ARCH+ arbeitete er an Publikationen wie Wien – Das Ende des Wohnbaus (als Typologie). Er war Ko-Leiter der Publikation The Great Repair – Politiken der Reparaturgesellschaft sowie Teil der künstlerischen Leitung des Ausstellungs- und Publikationsprojekts The Great Repair. 2020 schloss er sein Studium am Architekturdepartement der ETH Zürich ab. Er lebt in Berlin.